Freiburger Schriften zur Hydrologie

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Band/volume 25: Wenninger J. (2007):

Prozesshydrologische Untersuchung im System Boden-Vegetation-Atmosphäre

Die vorliegende Arbeit „Prozesshydrologische Untersuchung im System Boden-Vegetation-Atmosphäre“ entstand im Rahmen des Forschungsprojektes Wasserhaushalt eines Waldes auf einem Trockenstandort und des Projektes Einsatz geophysikalischer Methoden in Verbindung mit Tracermethoden in der Abflussbildungsforschung. Gefördert wurden diese Projekte durch das Forschungsschwerpunktprogramm Baden-Württemberg (2003-2005) und das Eliteförder­programm für Postdoktoranden der Landesstiftung Baden Württemberg gGmbH (2002-2004). Das Ziel der Arbeit war es einen Beitrag zur Verbesserung des Prozessverständnisses der Wasserflüsse im System Boden-Vegetation-Atmosphäre in unterschiedlichen Skalenbereichen und Untersuchungsgebieten zu leisten. Gerade im Hinblick auf die sich abzeichnenden Veränderungen des globalen Klimasystems ist es wichtig die hydrologischen Prozesse besser zu verstehen. Dies ist eine Grundvoraussetzung zur Erstellung konzeptioneller Systemvor­stellungen und einer adäquaten hydrologischen Modellierung. Tracerhydrologische Methoden stellen ein geeignetes Werkzeug dar, um Fragestellungen der Wasserflüsse, Herkunftsräume und Abflussanteile eines Systems zu untersuchen. Allerdings lassen sich nicht alle Fragestel­lungen allein mit diesen Ansätzen beantworten. In der vorliegenden Arbeit wurden neben den klassischen hydrometrischen Messungen – wie z.B. Niederschlag, Abfluss, Bodenfeuchte und Grundwasserstand – tracerhydrologische Untersuchungen – stabile Umweltisotope und geogene Tracer – sowie geophysikalische Methoden – 2D Gleichstromgeoelektrik – einge­setzt. Durch die Kombination der Ergebnisse der experimentellen Methoden konnten wert­volle Erkenntnisse über das konzeptionelle Prozessverständnis des hydrologischen Systems Boden-Vegetation-Atmosphäre gewonnen werden. Die Bodenzone stellt für unterschiedliche Fragestellungen und verschiedene wissenschaftliche Disziplinen einen wichtigen Bilanz- und Umsatzraum dar. Aus hydrologischer Sicht sind u.a. die Prozesse der Bodenwasserbewegung, und damit verbunden die Betrachtung der zeitlichen Dynamik der Grundwasserneubildung, die Aufteilung in unterschiedliche Abflusskomponenten und Abflussbildungsprozesse sowie Wasserhaushaltsbetrachtungen und Wasserentzug durch Evapotranspiration von besonderem Interesse. Forschungsbedarf auf diesem Gebiet besteht vor allem, da das Prozessverständnis innerhalb dieser hydrologisch wichtigen Zone einen wesentlichen Schritt darstellt, um Aussagen zu Auswirkungen künftiger Veränderungen von Klima- und Landnutzung beurtei­len zu können. Die experimentellen Arbeiten wurden an der Forstmeteorologischen Mess­stelle Hartheim in Südwestdeutschland (Plotskala) und im Weatherley-Einzugsgebiet in Südafrika (Hang‑ und Einzugsgebietsskala) durchgeführt.
Der Schwerpunkt der hier vorgestellten Arbeiten lag auf einer Standortuntersuchung an der Forstmeteorologischen Messstelle Hartheim (FMIF). Der Standort stellt ein Modellökosystem für wasserlimitierende Bedingungen während der Vegetationsperiode dar. Zur Erfassung der zeitlichen Dynamik des Wasserhaushaltes wurden alle wichtigen Komponenten des Wasser­kreislaufes quantitativ untersucht. Durch eine zeitlich hoch aufgelöste Betrachtung der meteorologischen Randbedingungen und eine tiefendifferenzierte Ermittlung des Boden­wasserhaushaltes war es möglich, eine detaillierte Erfassung der Wasserbilanz durchzuführen. Die Wasserhaushaltsuntersuchungen an der FMIF bestätigten eine Tiefenversickerung in Abhängigkeit der Bodenfeuchte‑ und Niederschlagsverhältnisse. Für den Untersuchungs­zeitraum des Hydrologischen Jahres 2004 konnte aus der Wasserbilanz eine stattfindende Tiefenversickerung und somit Grundwasserneubildung (GWNB) am Standort ermittelt werden. Die aus der Wasserbilanz errechnete GWNB konnte unter Verwendung eines eindimensionalen Bodenwassermodells verifiziert werden und es war möglich, deren zeitliche Dynamik aufzuzeigen. Den Kern der tracerhydrologischen Untersuchungen bildete die Anwendung der stabilen Isotope des Wassermoleküls. Diese wurden sowohl als natürliche als auch künstliche Tracer angewendet. Isotopensignaturen des Niederschlages wurden als Inputfunktion verwendet, um Prozesse in der ungesättigten Zone zu untersuchen. Die Betrachtungen der Isotopengehalte im Bodenwasser ermöglichten Rückschlüsse auf Infiltra­tionsprozesse und ließen Aussagen zu mittleren Verweilzeiten und Verdunstungsprozessen im Boden zu. Im System Boden-Vegetation konnten durch die Verwendung natürlicher Isotopen­signale Herkunftsräume der Wasseraufnahme der Vegetation abgeschätzt werden. Der Einsatz der stabilen Isotope als künstliche Tracer lieferte wertvolle Einblicke in den zeitlichen Verlauf des Transpirationsprozesses sowie in die Infiltrationsverhältnisse am Standort. Unter Verwen­dung der stabilen Isotope in Verbindung mit Ergebnissen einer Altersdatierung konnte der Herkunftsraum des Grundwassers an der FMIF näher eingegrenzt werden. Es zeigte sich, dass das Grundwasser im Bereich der FMIF überwiegend von Randzuströmen und lokaler GWNB geprägt ist. Der Einsatz geoelektrischer Methoden ermöglichte die nicht‑invasive Erfassung von räumlichen und zeitlichen Substrat- und Bodenwasserverhältnissen. Mit Hilfe der Gleichstromgeoelektrik konnte ein zweidimensionales Abbild oberflächennaher struktureller Eigenschaften gezeichnet werden. Durch die wiederholten Messungen am selben Profilschnitt war es möglich, Informationen über die zeitliche und räumliche Variabilität der Widerstands­verteilung im Untergrund zu erhalten. Über Transferfunktionen wurden die Punktinformatio­nen der Bodenfeuchte über die gemessenen elektrischen Widerstandeswerte in räumlich aufgelöste Darstellungen der Bodenfeuchteverhältnisse überführt.
Die Untersuchungen auf der Hang‑ und Einzugsgebietsskala im Weatherley-Einzugsgebiet erlaubten unter Anwendung verschiedener experimenteller Methoden Aussagen über domi­nante hydrologische Prozesse zu treffen. Die kombinierte Anwendung unterschiedlicher experimenteller Methoden für dieselbe Fragestellung führte zu einer Verbesserung des Prozessverständnisses und der hydrologischen Modellvorstellungen. Dies ist besonders wichtig, da jede der verwendeten Methoden ihre spezifischen Einschränkungen hinsichtlich ihrer räumlichen und zeitlichen Auflösung besitzt. Die Auswertungen der hydrometrischen Zeitreihen konnte die Existenz eines für die Abflussbildung wichtigen, aufgesetzten Grund­wasserspiegels aufzeigen. In Abhängigkeit der Niederschlags‑ und Vorfeuchtebedingungen im Einzugsgebiet werden im oberen Bodenbereich laterale Abflussmechanismen aktiviert. Die Bedeutung dieser schnellen Abflusskomponente konnte durch die Anwendung von Tracermethoden mit Hilfe der Ganglinienseparation bestimmt und quantifiziert werden. Durch den Einsatz geophysikalischer Messungen konnte die Tiefenlage dieser hydrologisch wichtigen Bereiche räumlich differenziert detektiert werden. Ebenfalls war es möglich, in Kombination mit punktuellen Informationen – wie Bodenfeuchte, Grundwasser und Tiefen­lage des Festgesteines – eine Einteilung des heterogenen Untergrundes vorzunehmen. Die Ergebnisse der kombinierten Anwendungen führten zu einer Bestätigung und Verbesserung der konzeptionellen hydrologischen Prozessvorstellungen im Einzugsgebiet.

[ english summary ]