Modellierung natürlicher Tracer zur Bestimmung von mittleren Verweilzeiten

Falk Scissek (Diplomarbeit)

Referent: Prof. Dr. Ch. Leibundgut
Koreferent: PD Dr. S. Uhlenbrook
Beginn: April 2002

Die mittlere Verweilzeit des Wassers im Einzugsgebiet ist ein zentraler Parameter bei der
Beschreibung von Aufenthaltsräumen und Abflussbildungsprozessen sowie bei der Einschätzung
des Einzugsgebietes bezüglich seiner Reaktion auf einen Schadstoffeintrag. Dabei kann die
mittlere Verweilzeit nicht allein aus der Abflussganglinie ermittelt werden. Um auch die immobilen
Teile des Wasserkörpers mit zu erfassen, bedarf es eines sich mit dem Wasser bewegenden
Tracers. Für diese Anwendung erwiesen sich die stabilen Umweltisotope Sauerstoff-18 (18O)
und Deuterium als vorteilhaft. Sie werden mit dem Niederschlag als Bestandteile der Wassermoleküle
flächenhaft eingetragen und markieren diesen aufgrund der zeitlich und räumlich variablen
Isotopenanteile des Wassers.
In der vorliegenden Arbeit wurden im Rahmen des Bündelprojektes "Abflussbildung und Einzugs-
gebietsmodellierung" der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) die Zeitreihen der
18 O-Messwerte im Niederschlag und im Abfluss verwendet, um daraus die mittlere Verweilzeit des
Wassers im Bruggagebiet sowie in einigen seiner Teilsysteme zu ermitteln. Dabei wurden
verschiedene Bestimmungsmethoden und Modellierungsansätze getestet, um eine Aussage zu den
Modellunsicherheiten zu treffen. Die klassische und seit mehreren Jahrzehnten angewandte
Herangehensweise an die Ableitung der mittleren Verweilzeit aus den gesammelten Daten ist
die Lösung des sogenannten "inversen Problems" mithilfe der Lumped-Parameter-Modelle
(z.B. MALOSZWESKI & ZUBER 1982).
Diese mathematisch-deterministischen Modelle beschreiben das Einzugsgebiet als homogene und
eindimensionale Einheit und beruhen auf der mathematischen Umsetzung bestimmter Hypothesen
bezüglich der Randbedingungen und Fließzeitverteilungen im Einzugsgebiet. UHLENBROOK (1999)
hatte bereits für die Zeitreihe von 1995 bis 1998 die mittlere Verweilzeit mithilfe der
Lumped-Parameter-Modelle ermittelt.
In dieser Arbeit wurde eine erneute und erweiterte Modellierung auf der Basis der bis 2002
verlängerten Zeitreihe vorgenommen. Es wurde mithilfe geeigneter Verfahren eine flächenkonzentrierte
Inputfunktion der d18O-Werte im Niederschlag für das Gesamtgebiet erstellt und bis 1971
zurückverlängert. Durch die Kalibrierung des Modells wurde angestrebt, diese Inputfunktion
möglichst optimal in die Outputfunktion des Abflusses zu überführen, wobei die mittlere Verweilzeit
(und ggf. noch ein anderer Parameter) als Anpassungsgrößen verwendet wurden. Unter Optimierung
der Modelleffizienz wurde durch diesen "Rückwärtsschritt" die mittlere Verweilzeit bestimmt. Obwohl
es im Bereich der Prozessforschung und Modellierung das Bestreben gibt, die natürliche Heterogenität
des Systems detaillierter zu modellieren, limitierte die unzureichende Datenlage im Untersuchungsgebiet
eine höhere räumliche Auflösung.

Allgemein kommt es bei der Anwendung der Lumped-Parameter-Modelle einerseits durch die
Eingangsdaten und andererseits durch die Modellstruktur zu Unsicherheiten, die durch direkte
Fehlerfortpflanzungsrechnungen nur schwer zu quantifizieren sind. Aus diesem Grund wurde eine indirekte Unsicherheitsabschätzung angestrebt. Hierzu wurden innerhalb verschiedener Modellierungsdurchgänge
die Beobachtungszeitreihe, die Länge und zeitliche Auflösung der Inputfunktion einschließlich ihrer
Ableitungsmethode sowie die Prozedur zur Bestimmung der Gewichtungsfunktion des Niederschlages
variiert und die Modellergebnisse untereinander verglichen. Weiterhin wurde untersucht, in wieweit
die Lumped-Parameter-Modelle in der Lage sind, das vorliegende räumliche Prozessverständnis in die
Modellierung zu intergrieren. Modell- und datentechnische Limitationen wurden aufgezeigt und
Ansätze zur Verbesserung des Modells getestet.
Im Gegensatz zu dieser prozessorientierten Betrachtung steht die zunächst rein mathematisch-
stochastische Auswertung der Ganglinien mithilfe der Spektralanalyse. Aus dem mithilfe der
Fourier-Transformation berechneten Leistungsdichtespektrum ist die Dominanz der einzelnen
Schwingungen verschiedener Perioden ersichtlich. Aus dem Vergleich der erstellten Leistungsdichtespektren
von Input und Output konnten KIRCHNER ET AL. (2000) auf die Dämpfung der Inputfunktion durch das
System schließen. Dieses Dämpfungsmuster deuteten sie hinsichtlich einer Verweilzeitverteilung des
Wassers Es wurde in dieser Arbeit untersucht, in wieweit diese Methode auch im Bruggagebiet
angewandt werden kann und welche neuen Erkenntnisse diese Methode erbringt.

Literatur:
KIRCHNER, J.W., FENG, X., NEAL, C. (2000): Fractal stream chemistry and its implications form
contaminant transport in catchments. Nature 403: 524-527.

MALOSZEWSKI, P. & ZUBER, A. (1982): Determining the turnover time of ground water systems
with the aid of environmental tracers, I. Models and their applicability, Journal of Hydrology 57: 207-231.

UHLENBROOK, S. (1999): Untersuchung und Modellierung der Abflussbildung in einem mesoskaligen
Einzugsgebiet, Freiburger Schriften zur Hydrologie, Band 10. Institut für Hydrologie an der
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. 201 Seiten.

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